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Get me out of here

About: Wider den Etikettenschwindel

Gekaufte Filme, die plötzlich aus der Bibliothek verschwinden. Gekaufte Autos, die nicht mehr fahren. Gekaufte Spiele, die sich nicht mehr spielen lassen. Die einst so kapitalistische Industrie ist drauf und dran, dort zu reüssieren, wo der Kommunismus scheiterte: bei der Abschaffung des Besitzes. Durch die Hintertür, versteht sich. Ein Kommentar.

Dachten Sie etwa, dass Ihnen ein Spiel gehört, nur weil Sie es gekauft haben? Pustekuchen, hat nun Valve klargestellt. Was wir kaufen, sei tatsächlich eine Nutzungslizenz. Und die kann über Nacht zur Notreserve für das stille Örtchen werden. De-listing und so. Dasselbe Bild bei ach so smarten Autos: Geht der Hersteller pleite und die Lichter auf dessen Serverfarmen aus, bleibt das teuer erworbene Auto künftig angenehm leise. Etikettenschwindel allerorten.

Online-Zwang machts möglich

Der Onlinezwang hat pandemieartige Züge angenommen. Streaming-Dienste, Spiele, Autos, Betriebssysteme, Smarte Stromzähler - die Liste ließe sich befremdlich lange fortsetzen. Kein Internet, keine Kekse - scheint insgeheim die Devise zu sein. Kein Wunder: So ist der Onlinezwang doch ein allzu willkommener Hebel, die eigene, völlig verquerte Definition von "kaufen" durchzusetzen: Der Erwerb nicht des Produktes selbst, sondern einer gnädigerweise eingeräumten "Nutzungslizenz". Wenn morgen eine Kooperation zwischen Samsung und Nestlé bekannt würde, müsste der Käufer übermorgen fürchten, dass der Kühlschrank geschlossen und das Baby hungrig bleibt, wenn die Alete einen halben Tag drüber ist, fürchtet der Autor. "Die Nutzungslizenz für Ihren Kühlschrank ist abgelaufen. Reaktivieren Sie diese noch heute unter der folgenden kostenpflichtigen Nummer!". Klingt unrealistisch, finden Sie? Nehmen Sie dies. Autos, die zu Elektroschrott werden, weil der Hersteller insolvent ist, Prost Mahlzeit. Den ollen Käfer hätte das früher nicht gejuckt.

Mieten ist das neue "Kaufen"

Ein X für ein U vormachen, nannten das die alten Römer. Auf dem einladenden Button steht "Kaufen", gemeint ist aber Mieten, der Besitz wird dem Käufer in den viel zu langen, glücklicherweise wenig frequentierten AGB abgesprochen. Was die Anbieter freilich nicht daran hindert, den Gesamtbetrag im Voraus abzubuchen, wie man es von echten Käufen gewohnt ist. Der Anbieter freut sich über die Gewinnmaximierung, der Kunde ärgert sich über die Risikomaximierung. Besitz im herkömmlichen Sinne wird abgeschafft.

Zeit für Dedigitalisierung?

Ist es also an der Zeit, die alten CD-, DVD- und Bücherregale aus dem Keller zu holen und wieder dumme Autos ohne das ganze Smartgedöns zu kaufen? Smartphones unbrauchbar machen, bevor es der Hersteller aus der Ferne tut, weil er der Meinung ist, dass es Zeit für ein neues iPhone wird?
Don Quijote hätte sicherlich seine Freude an diesem Gedanken. Allein, erfolgsversprechend erscheint das nicht. Oder reicht Ihre Phantasie aus, um sich vorzustellen, wie sich Captain Kirk im Jahre 22hastenichtgesehen den papiernen Sternenatlas aus der Westentasche friemelt?

Und nu?

So verzweifelt der Aufruf auch klingen mag, hier ist die Politik gefragt. Kaufen heißt kaufen und mieten heißt mieten. Fertig! Der Duden hat da schon was vorbereitet:

Es ist zweifellos an der Zeit, dem systematischen Etikettenschwindel der Anbieter digitaler Güter Einhalt zu gebieten, bevor wir den Spaß an unseren Geräten und Inhalten gegen den Frust über unsere schleichende Enteignung eintauschen. Bis es soweit ist, hat unsere beste Chance zur Erhaltung der Digitalen Souveränität wohl vier Buchstaben und trägt nicht selten das Antlitz eines Pinguins: FOSS - Free and Open-Source Shit.

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